Die erste urkundliche Erwähnung
von Peter Kühlechner
Hier verwendete Quelle: Calenberger Urkundenbuch / hrsg. von Wilhelm von Hodenberg |
© KühlechnerBis heute gibt es nur eine zuverlässige Aussage über das Alter der Ortschaft Leveste, und dies ist eine Urkunde aus dem Jahre 1229 aus dem Archiv des Kosters Barsinghausen.
Glücklicherweise wurden diese (wie auch Urkunden aus anderen Klöstern und Orten) im Calenberger Urkundenbuch dokumentiert.
In diesem Urkundenbuch findet sich auch der erste und bisher älteste Hinweis auf einen Ort namens "Leueste".
Genau genommen gehört dazu noch eine andere Urkunde (Nr. 16 im besagten Urkundenbuch), die hier des besseren Verständnisses wegen zuerst erwähnt sei.
In dieser Urkunde vermacht ein Heinrich von Lohe der Kirche zu Minden zu Gunsten des Klosters Barsinghausen "den Zehnten über 14 Hufen zu Klein-Hegestorf" (Kirchsp. Aplern, Hessen-Schaumburgischen Amts Rodenberg).
Als Auflage macht dabei der Stifter, dass "den Nonnen davon jährlich ein Dienst werden soll" und die vier nächst wohnenden Priester in Groß-Goltern, Hohenbostel, Landringhausen und Kirchdorf sollen jährlich 2 Schilling erhalten für Seelenmessen und für eine Memorie seiner Gemahlin Bertha von Grove.
Fakismile aus dem Urkundenbuch, Urkunde Nr. 16:
Also keine Rede von Leveste oder Leueste.
Doch, wie damals scheinbar üblich, gibt es eine zweite Urkunde, mit der die Stiftung des Heinrich von Lohe bestätigt wird.
Unter dieser Urkunde befindet das Siegel des Bischofs Konrad von Minden, zwar ohne Datum, aber offensichtlich aus dem gleichen Jahr. Festgehalten ist die Urkunde als die laufende Nummer 17:
Faksimile aus dem Urkundenbuch, Urkunde Nr. 17:
In dieser Urkunde ist keine Rede mehr von Hohenbostel (Homborstholde), dafür aber von "Leueste", genauer gesagt, von den Priestern der Kirchen in Goltern, Leveste, Landringhausen und Kirchdorf.
Das wahre Alter Levestes
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass im Jahre 1229 in Leveste bereits eine Kirche existierte. Wann diese tatsächlich gebaut wurde und wie alt das zugehörige Dorf ist, kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden.
Wie immer bei den sogenannten "ersten urkundlichen Erwähnungen", gilt jedoch eben dieses Datum quasi als Gründungsdatum und ist damit Basis für die diversen Jubiläums-Feiern.
Praktisch dürften Kirche und Dorf etwas älter sein.
Vermutlich fällt das Gründungsdatum aber nicht wesentlich älter aus. Im 12. und 13. Jahrhundert gab es einen wahren Boom an Siedlungsgründungen und in dieser Zeit wurden auch die meisten Pfarrstellen eingerichtet.
Grund war einerseits die fortschreitende Rodung des Landes, die wirtschaftliche Nutzung der gewonnenen Flächen und der damit verbundene Bevölkerungszuwachs. Gleichzeitig durchzog das Land eine religiöse Euphorie: 1189 hatte Kaiser Barborassa zum Kreuzzug aufgerufen. Die Daheimgebliebenen trugen ihren Teil bei, indem sie Pfarrstellen und Klöster gründeten. So entstanden um die Jahrhundertwende die Klöster Barsinghausen (1193), Marienwerder (1196) und Wennigsen (erste Erwähnung 1224, genaues Gründungsdatum unbekannt).
Diese und die Gründung von mehrerer Pfarrstellen gingen immer von den herrschenden Adelsgeschlechtern aus, vornehmlich von jenen, die nicht an den Kreuzzügen teilnahmen. Dabei entwickelte sich ein wahrer Ehrgeiz, die Rodungen voranzutreiben und Klöster und Pfarrstellen auszubauen. So mag auch die "Unterstützung" des Heinrich von Lohe für die 4 genannten Pfarrstellen zu verstehen sein - heute würde man "Sponsoring" dazu sagen.
Man kann also davon ausgehen, dass Leveste mit großer Wahrscheinlichkeit um die Jahrhundertwende 12./13. Jhdt. seine Entstehung hatte.
Die heutigen Gehrdener Ortschaften und ihre erste Erwähnung:
Ort | früherer Name | erste Erwähnung |
Lenthe | Lenthe | 1055/1225 |
Ditterke | Ditriche | 1208 |
Lemmie | Leminethe | 1216 |
Leveste | Leueste | 1229 |
Redderse | Redse | 1230 |
Gehrden | Gerdene | 1233 |
Everloh | Euerlo | 1239 |
Northen | Northum | 1304 |
Die Jahreszahlen sprechen für sich. Die Häufung zu Anfang des 13. Jahrhunderts spricht eindeutig dafür, dass das Gebiet zu dieser Zeit gerodet und besiedelt wurde.
Dabei kann man davon ausgehen, dass die Rodungen flächenmäßig sehr begrenzt waren. Aus alten Flurkarten ist zu entnehmen, dass das Gebiet lange Zeit vornehmlich aus Wald bestand.
Wer war Heinrich von Lohe?
Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die von Lohe's zwischen Eckerde und Leveste eine Burg gehabt habe sollen. Es gibt genau dort sogar noch einen "Loh-Teich" kurz hinter dem Kniggeschen Gut in Richtung Westen. Allerdings basiert die Lohburg bisher ausschließlich auf Barsinghäuser Klostersagen. Es gibt keinerlei urkundliche oder sonstige konkrete Hinweise auf diese Burg, noch sind jemals irgendwelche Mauerreste gefunden worden.
Über das Geschlecht der Lohes weiß man relativ wenig.
Im Jahre 1295 wird ein Ludolf von Lohe urkundlich festgehalten, von dem man 11 Kinder rekonstruieren konnte. Ob er jedoch ein Nachfahre jenes Heinrichs von Lohe war, steht nicht fest.
Eine ältere urkundliche Erwähnung eines "von Lo" stammt aus dem Jahre 1215 (Wedekindus de Lo).
Dazwischen werden immer wieder Adlige dieses Geschlechtes erwähnt, ohne dass man jedoch alle verwandschftliche Verhältnisse eindeutig zuordnen kann.
Der Stammsitz der Familie dürfte - laut Calenberger Urkundenbuch - höchstwahrscheinlich im Kirchdorf Lohe nordwestlich von Nienburg gelegen haben, wo es heute noch ein Gut Lohe gibt.
Über das Ende der Herrschaft Lohe ist absolut nichts bekannt.
Postkarte aus der Ortschaft Lohe bei Nienburg ca. 1905:
Der Nahme "von Lohe" ist auch heute noch sehr verbreitet, und bei Leveste-online fragen immer wieder Ahnenforscher (auch aus den USA) nach weiteren Informationen an, die wir leider nicht haben.
Wer näheres über die Erwähnungen der von Lo's erfahren will, sei an das DRW im Internet verwiesen, das eine komplette Faksimile-Ausgabe des Calenberger-Urkundenbuches beherbergt (dort speziell Band I, Seite 50, Urkunde Nr. 68):
Leveste und die Grafen von Roden
Die Tatsache, dass Heinrich von Lohe durch seine Stiftung an das Kloster Barsinghausen nebenbei auch noch unfreiwillig für die erste urkundliche Erwähnung Levestes gesorgt hat, führte dazu, dass seine Bedeutung für Leveste zu hoch eingeschätzt wird.
Außer dass er dem Pfarrer von Leveste (sacerdos de Leueste) 2 Schillinge (duo solidi) im Jahr zukommen ließ, hat er nämlich mit Leveste nichts zu tun.
Besitzer der Levester Kirche waren nämlich die Grafen von Roden, einem Adelsgeschlecht aus dem Raume Wunstorf-Limmer,
dem auch die Gründung der Stadt Hannover zugeschrieben wird (1141).
Konrad I von Roden (1160-1203) gründete u.a. 1196 das Kloster Marienwerder. Ein Nachfahre, ebenfalls namens Konrad von Roden, erbt die Kirche von Leveste und verschenkt sie im Jahre 1239 an das Kloster Marienwerder, "zum Seelenheile seines Bruders", der seltsamerweise auch Konrad hieß und am 23. August 1239 im Kloster Marienwerder begraben wurde.
Quelle: Calenberger Urkundenbuch, Band VI, Urkunde 20.